Mit dem Charme eines hodenkrebsoperierten ehemaligen Kammerjägers serviert er mir mein Bier. Seine Kellnerlivree sitzt noch schlechter als sein Gebiss. Als ich das Handy aus der Tasche ziehe, beäugt er es misstrauisch und winkt mit dem Kopf in die Richtung der Gaststubentüre. Ich wäre ohnedies hinausgegangen. Ein 5 mal 5 Meter – Vorraum mit kalten abgeschlagenen Marmorfliesen empfängt mich. Die toten Glasaugen in den Schädeln der Böcke und Hirsche starren mich an. Der Geruch von altem Fett und Fell - durch den Windfang kaum gebremst und ständig in Bewegung gebracht - vermischt sich zu einer gelungenen Magenreizkombination und ich bereue, das Essen schon bestellt zu haben. Warum gehe ich auch immer wieder in solche „Gutbürgerlichen“ ? Es gibt kaum etwas, das mir mehr zuwider ist als Gutbürgerliches – außer es betrifft die Küche. Manchmal zumindest.
bluevelvet001 - am Freitag, 28. Mai 2004, 19:07