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Bluevelvet001
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Leibovic kann es nicht erwarten. Das Gewicht der Taucherglocke lastet schwer auf seinen Schultern. „Wach ich oder träum ich“, denkt er, zieht an seiner Zigarette und muss erkennen, dass das ein Fehler war. Wie komme ich mit der Kippe im Mund in die Taucherglocke? Er muss husten die Zigarette fällt ihm aus dem Mund. tgSicht Null, war klar, bei dem vielen Rauch. Der Hustenanfall wird immer schlimmer. Leibovic weiß nicht, ob er bereits zu Wasser gelassen wurde oder nicht, der Anfall schüttelt seinen ganzen Körper durch, und er kann das Gefühl der Schwerelosigkeit nicht spüren, das - jedes Mal, wenn er ins Wasser eintaucht - auftritt. Die Zigarettenglut verbrennt seine Bartstoppeln am Kinn, bevor sie im Speichel, der in großen Mengen aus Leibovics Mund fließt, mit einem zurrenden Knistern, ähnlich dem Abbrennen einer Zündschnur, erlischt. Er glaubt zu spüren, wie ihn die Bleischuhe sanft nach unten ziehen, aha, also doch schon im Wasser, er bläst durch Mund und Nasenlöcher um den Rauch zu vertreiben, um wieder sehen zu können, verdammt, ein erschreckendes Gefühl, seines Sehsinns beraubt zu sein, auch der Geruchssinn ist ausgeschaltet, der Rauch brennt, hinterlässt einen beißenden Film auf den Nasenschleimhäuten, trocknet sie in Sekundenbruchteilen aus, verklebt die Poren, bildet eine harte Kruste, die ins Fleisch sticht, wenn man die Nase rümpft - eben um wieder riechen zu können. Mit einem sanften Ruck setzen die Bleisohlen am Meeresgrund auf. Leibovic kann nicht sehen, wie der Sand aufgewirbelt wird, der Plattfisch, der gerade noch ruhig die Reste der Krabbe vertilgt hat, panisch flüchtet. Leibovic hat Rauch in der Taucherglocke, Leibovic hat Rauch in den Augen, im Mund, in der Nase, sogar in den Ohren. Eine erloschene Zigarettenkippe schwimmt in einem kleinen Speichelsee knapp unterhalb seiner Unterlippe. tg1Leibovic hustet sich die Seele aus dem Leib, Leibovic hadert mit seinem Schicksal. Und dann passiert es. Er erbricht sich. Zuerst brechen die Nudeln durch, kleine Suppennudeln, ein paar Tiefkühlerbsen, ein Brocken Rindfleisch. Die Glocke füllt sich bis zu seiner Nasenspitze. Er versucht, den Kopf in den Nacken zu legen, um zumindest atmen zu können. Es schafft ihm nur wenig Freiraum, das starre Korsett des Taucheranzuges lässt kaum Bewegung zu. Dann kommen die Sardinenstückchen. Silbrig glänzend, kaum verdaut, schwimmen sie in der unteren Hälfte der Glocke, doch ihr Begleiter, der trockene Weißwein, lässt sie stetig weiter steigen, bis zu Leibovics Tränensäcken. Wenn er noch klaren Verstandes wäre, hätte er zu sich gesagt: „Warum musste ich auch noch die zweite Flasche trinken?“ Doch Leibovic denkt nicht mehr nach, er ertrinkt binnen weniger Minuten, nachdem sich noch ein halber Liter Schnaps, drei Stück Preiselbeertorte, eine Kanne schwarzer Kaffee und der verschluckte Kaugummibatzen zu den Sardinen gesellt haben. Einzig der Kaugummi und einige Preiselbeeren bleiben mit einem Rest Flüssigkeit in der Taucherglocke, alle anderen Ingredienzien werden bei der Obduktion in Leibovics Lungenflügeln gefunden. Er bleibt auch bei dieser Aktion seinen Grundsätzen treu:
Keine halben Sachen, und:
Gegessen wird alles, was auf den Tisch kommt.
 

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