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Bluevelvet001
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Seine Worte kommen kurz und abgehackt, so als spare er den Atem für etwas anderes. Er nervt, wie er da in der Türe steht, mit seiner klatschnassen Jacke und den dreckverschmierten Schuhen. Alkoholkrank, derzeit trocken, verkühlt, einige Haare stehen ihm wirr zu Berge.
Erst später merke ich, dass er Schmerzen hat – deshalb atmet er so schwer. Ich begleite ihn, sein Pass wurde ihm gestohlen, ohne mich bekommt er sein Geld nicht auf dem Postamt. Ich gehe schnell, zu schnell für ihn, bin angenervt, will schnell wieder zurück, frage, wo er jetzt wohnt und erfahre, dass er gestern bei dieser Eiseskälte auf der Strasse geschlafen hat. Meine Schritte werden langsamer. Das erste mal sehe ich ihm voll ins Gesicht.
„Warum?“
Ich habe Schulden, und sie wollten mich nicht in die Schlafstelle lassen, bevor ich nicht bezahlt habe.“
Er lächelt, als er mir das erzählt. Die buschigen Augenbrauen tanzen dabei fast lustig. Kurz verzieht sich sein Gesicht zu einer Fratze - der Schmerz.
„Was ist los,“ frage ich.
„Ach, vor ein paar Tagen haben mich drei Jugendliche nach Zigaretten und Geld gefragt. Ich hatte keins!“ Ich glaube ihm aufs Wort.
„Und...“
„Tja, und plötzlich hat mich von hinten etwas am Schädel getroffen, dass es mich umghaut’ hat!“
„Und dann hat mir einer noch mit dem Stiefel voll in die Rippen getreten – da kannst gar nichts machen...ich war vollkommen baff, da hast keine Chance.“
„Ja, haben sie Kerle wenigstens angezeigt, hat man sie erwischt?“
„Nein, warum denn, das hätt’ ja ohnehin nix genutzt!“
Ich erkenne, dass weitere Diskussionen sich erübrigen.
Er erzählt die Geschichte lächelnd weiter, es ist ein verzeihendes Lächeln und ich bin von der Sanftheit seiner Stimme, der stoischen Ruhe seiner Schilderung völlig überrascht. Seine Augen scheinen alles Verständnis dieser Welt in sich zu vereinen. Ich bin irritiert und tiefberührt, kann nicht einmal so richtig Zorn entwickeln, für ihn, statt ihm.
Mit der Story und seiner ungewöhnlichen - völlig aggressionsfreien - Reaktion hat er mich komplett aus dem Routinetrott herausgerissen. Ich ziehe die Handschuhe aus, als er mir zum Abschied die Hand reicht. Sie ist trocken und warm und er versucht kräftig zu drücken.
Noch einmal treffen sich unsere Blicke und ich habe das Gefühl, nie einem würdevolleren Menschen begegnet zu sein.
 

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