Ich hab’ noch nie so konzentriertes Sterben via TV erlebt. Sterben nämlich, ohne Spielfilmhandlung - live dabei, echt, tragisch, unverfälscht, aus dem Leben gegriffen... seufz-seufz. Ostern: Zeit des Sterbens und der Auferstehung?
Päpste, Fürsten, Schauspieler und komatöse Normalos zeigen uns wie es geht, mehr oder weniger spektakulär; stimmlos jammernd am Balkon in römischer Bestlage; fürstlich aufgebettet in der Intensivstation; alzgeheimert und schlecht rasiert im Nobelpflegeheim; hirntot grinsend, noch schnell auf Diät gesetzt, im einfachen Spitalsbett. Keine Kugel in der Stirn, keine durchgeschnittene Kehle, kein Spritzentod am Bahnhofshäusel.
Hygienisch sauber wird in digitaler Perfektion gestorben, keine Sepsis zu befürchten, keine Ansteckungsgefahr. Alle „leben“ mit: die römische Hausfrau, („wein-wein“) die Grimaldi – Hausköchin, („heul-schluchz“) Haralds Witwe, („schnäuz-tränz“) Mami und Papi Schiavo, („plärr-plärr“).
Bin ich froh, dass alles so sauber abläuft. Wer will schon sehen, wenn sich im Moment des Todes alle Muskeln entspannen, sich der Sterbende von oben bis unten einscheißt (was bei Frau Schiavo wohl kaum ins Gewicht gefallen wäre) die Atmung aussetzt, die Augen aus den Höhlen treten, die Gesichtszüge zur Maske werden, die Angehörigen selbst kleine Tode sterben, oder vor Erleichterung schnell einen doppelten Cognac heben, bevor der Schmerz sie überwältigt, die Kinder das Erbe aufzuteilen beginnen, die Angehörigen beim Holz für den Sarg doch die günstigere Variante wählen („fressen eh d’Würm...), die trauernde Witwe sich endlich auch körperlich wieder trösten darf, der pensionierte Oberstudienrat seine 22 jährige Pflegerin heiraten kann. Gut, dass dies alles im Verborgenen bleibt, das Leben ist ohnehin schwer genug zu meistern, sei dankbar für deinen Kabelanschluss, er bewahrt dich vor der schnöden Banalität des Gevatter Tod.



bluevelvet001 - am Montag, 4. April 2005, 11:26